Bei einer Diskussion im Hörerforum von StayForever habe ich erwähnt, vor vielen Jahren das allererste deutsche „Online-Magazin“ herausgegeben zu haben. Der Bitte nach mehr Infos komme ich hiermit gerne nach.
Angefangen hat alles Anfang der 90er in der BBS des Spielehändlers GAMESWORLD in München. Dort kaufte ich nicht nur meine Spiele, sondern schrieb in der Mailbox auch Rezensionen dazu. Brachte mir weder Ruhm noch einen finanziellen Vorteil, aber es machte Spaß. Wenig später entdeckte ich den Online-Dienst CompuServe für mich und wurde dort schnell als SysOp in einigen Foren tätig. Meine Texte lud ich dort auch hoch und schließlich fanden sich einige Mitstreiter und wir gründeten die GamesWorld. Sie erschien grob alle vier Wochen als Windows-Hilfe-Datei (HLP). Im Prinzip war sie also ein digitales Monatsmagazin zum Herunterladen.
Die Veröffentlichung als Hilfedatei war zwei Faktoren geschuldet: einerseits sollte der Download möglichst klein sein, anderseits durften Autorentools nicht die Welt kosten. Wir waren alle Schüler, Studenten und Azubis – also war eine Lizenz von Adobe Acrobat nicht finanzierbar. Hilfedateien konnte man außerdem durch Doppelklick in Windows öffnen – es war kein zusätzlicher Reader erforderlich. Windows war quasi auch Zugangsvoraussetzung für CompuServe, so dass es keine Einstiegshürde für die potentielle Leserschaft gab.
Die GamesWorld selbst war ein klassische Testmagazin, die Power Play bzw. PC Player waren unser Vorbild. Getestet haben wir aber zunächst nur Spiele, die wir uns gekauft haben. Da das Team aber in Sachen Spielvorlieben sehr divers aufgestellt war, hatten wir von Anfang an ein „dickes Heft“. Neben Tests boten wir aber auch umfangreiche Tipps und viele Komplettlösungen an. Manchmal gab es auch kleine Reportagen und natürlich auch einen umfangreichen Newsteil. Letzterer war im Prinzip eine Zusammenfassung und Übersetzung von allem, was man in CompuServe so finden konnte. Das war Einiges, denn die Spielebranche war quasi „Early Adopter“ des Online-Dienstes.
Schon am Anfang kamen wir auf 400-800 Downloads, später hatten wir konstant vierstellige Zugriffe. Einmal erreichten wir sogar über 14.000 Downloads. Genau kann ich mich nicht mehr erinnern, was der Grund dafür war. Ich tippe aber auch irgendeine Komplettlösung, die man sonst nur auf Englisch finden konnte. Heute lächelt man über diese Zahlen, damals bescherten sie uns große Aufmerksamkeit. So flatterte schließlich eines Tages auch Post von Blue Byte, SoftGOLD und Sierra On-Line ins Haus. „Man findet das was wir machen echt gut“ und „ob man uns denn ein paar Spiele zusenden dürfte“. Ja, damals hat uns das echt vom Hocker gerissen. Publisher, die uns ihre Spiele KOSTENLOS zuschicken! WOW!!! Angespornt davon schrieben wir dann auch selbst Entwickler und Publisher an – und erhielten von allen nur positive Rückmeldungen und Pakete weise Spiele.
Das war aber nicht nur positiv, denn plötzlich hatten wir nicht nur die Spiele, die wir gerne spielen zu besprechen, sondern auch das was man uns zuschickte. Und Mann-oh-Mann, war da auch manchmal Mist dabei! Ich spielte eigentlich (bis auf Sportspiele) alles wenigstens kurz an, bevor ich es an den Tester weiterschickte. Das reichte aus, um einen Meinungskasten zu schreiben, so dass die Tests den Eindruck vermittelten von mehr als einem erstellt worden zu sein. Die Wertung war aber eher fiktiv und alleine Sache des Haupttesters. Oft orientierten wir uns aber dabei an den bereits erwähnten Printheften.
Oben erwähnte ich schonmal, dass die GamesWorld auch Reportagen bot. Dass stimmt zwar, waren aber tatsächlich nur zwei. Beides Male berichtete ich über den Besuch der heiligen Entwicklungshallen in Mühlheim an der Ruhr, den Blue Byte lud mich ganz unbürokratisch ein, doch mal vorbeizuschauen. Der erste war quasi „exklusiv“ (ich war mit den Entwicklern alleine und durfte den halben Tag das neue Siedler spielen), der zweite war ein offizieller Pressetermin zu Schleichfahrt.
Vertriebsplattform für die GamesWorld war hauptsächlich die Foren in CompuServe, wo wir auch als SysOp’s tätig waren. Bei America Online (AOL) habe wir nie einen Fuß in die Türe gebracht, aber als BTX schließlich zu T-Online wurde, gab es uns auch dort. In den ersten zwei Jahren konnte man auch ein Abo abschließen. Das boten wir zum Selbstkostenpreis an, verlangten also nur was uns die Disketten und der Versand kostete. Ziemlich blöd, denn das Kopieren und Verpacken der Disketten nahm viel Zeit ein. Maximum waren 86 Abonnenten, die einmal im Monat eine Diskette im Briefkasten fanden. Als dann im zweiten Jahr die Post das Porto für den Versand anhob, musste ich selbst ordentlich draufzahlen – und zog schließlich den Stecker für den Service.
In den letzten Jahren tat sich dann eine Zusammenarbeit mit dem TREND Verlag und Pearl Agency auf. Dort half ich bei der Renovierung von deren CompuServe-Foren aus. Lohn war eine Mitnutzung des Supportforum mit eigenen Bereichen und Gratis-Nutzung für das ganze Team (Foren waren gebührenpflichtig). Dort gab es auch Bereiche der Bestseller Games. Deren Chefredakteur schrieb mich an und fragte, ob er die GamesWorld auf die CD-ROM packen dürfte und ob wir vielleicht auch die Newsseiten (4 Seiten, meist in der Heftmitte) befüllen wollen. Klar wollten wir! Leider hielt die Zusammenarbeit nur ein paar Monate, denn dann wurde der TREND Verlag neu ausgerichtet und die Besteller Games stark im Umfang reduziert.
Wir haben uns dann noch ein neues Zuhause in diesem neuen World Wide Web geschaffen, allerdings konnten wir dort nicht mehr an den Erfolg anknüpfen. Eine Website zu betreiben war unwahrscheinlich teuer und die Möglichkeiten noch stark limitiert. Seiten mussten noch von Hand erstellt werden und man musste sich dafür HTML beibringen. Die ganze Mehrarbeit blieb an mir hängen, da keiner der anderen sich das technische Know-How aneignen wollte. Zu dieser Zeit änderte sich bei uns allen auch die Lebensumstände. Die meisten waren mit Ausbildung und Studium durch und starteten ins Berufsleben und/oder gründeten eine Familie. Die Freizeit wurde also zusehends knapper und kostbarer, was schließlich dazu führte, dass immer mehr sich vom Projekt zurückzogen bis eine Fortführung quasi unmöglich wurde…
Was übrig blieb…
Ich habe mich mal durch alte Datenbestände und Kisten auf dem Dachboden gewühlt. Leider habe ich nicht viel gefunden. Von der Besteller Games habe ich kein Heft aufgehoben und die Projektdateien kann man heute nicht mehr öffnen, denn die dazu notwendige Software befindet sich auf 5 1/4″-Disketten (und läuft vermutlich auf modernen Windows ohnehin nicht mehr). Microsoft hat das HLP-Format quasi schon vor Windows XP in Rente geschickt und mindestens seit Windows 7 kann man solche Dateien gar nicht mehr öffnen. Da ich aber ohnehin keine kompilierten Ausgaben gesichert habe, ist das nicht schlimm…
Was bleibt, sind Erinnerung. Leider verblassen diese nach knapp 30 Jahren auch immer mehr. An die meisten Mitstreiter von damals kann ich mich auch nicht mehr erinnern. Ich bin ihnen aber für einen unglaublich tolle Zeit sehr dankbar und möchte die gesammelte Erfahrung nicht missen!
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